Herausforderungen für Unternehmen im „War for Talents“
Im Kontext des sogenannten “War for Talents“, der durch den demographischen Wandel und den Fachkräftemangel in Zukunft weiter verstärkt werden wird, stehen Unternehmen vor der Herausforderung neue Mitarbeitende für ihr Unternehmen zu gewinnen und diese auch langfristig zu halten. Hinzu kommt ein spürbarer Wertewandel auf dem Arbeitsmarkt, der neue und innovative Konzepte der Umwerbung junger Talente erfordert.
Das Konzept des werteorientierten Onboardings
Ein Ansatz, um dem Fachkräftemangel sowie hohen Fluktuationsraten zu begegnen, ist das werteorientierte Onboarding. Aktuelle Studien, wie die des Unternehmens Gallup (2022), unterstützen die Idee des «werteorientierten Onboardings». Sie zeigen auf, dass der klassische Onboarding-Prozess, der sich vor allem auf eine fachliche Integration bezieht, Mitarbeitende nicht ausreichend tief in ihrem (emotionalen) Commitment an das Unternehmen bindet (Brenner, 2014). Dies ist u. a. als ursächlich für eine hohe Kündigungsrate innerhalb der Probezeit (Jobumfrage Glassdoor, 2019). Auf Basis dieser Ausgangslage hat Brenner (2020) eine dritte Dimension des Onboardings etabliert: das «werteorientierte Onboarding». Ziel ist, Unternehmenswerte sowie Sinnhaftigkeit bereits zu Beginn der Beschäftigung zu erleben, und so früh ein Gefühl der Identifikation zu fördern (Brenner, 2020).
Vorteile eines werteorientierten Ansatzes
Laut Lohaus und Habermann (2015) hat das werteorientierte Onboarding Vorteile wie tiefere Rollenklarheit, höhere Zufriedenheit, erhöhte Produktivität, langfristige Mitarbeiterbindung und die Erhöhung des Cultural Fit. Dieser Ansatz ermöglicht es, den Onboarding-Prozess zu professionalisieren und um Aspekte der Werteorientierung zu erweitern, die helfen, das Commitment der Mitarbeitenden sowie den Cultural Fit von Beginn an zu erhöhen und damit einem frühzeitigen Ausscheiden neuer Mitarbeitender zu begegnen.
Werte als Entscheidungskriterium für Bewerbende
Zudem belegen Studien, dass Werte für junge Arbeitnehmende weltweit immer wichtiger werden: 42% würden einen Job nicht annehmen, wenn ihr Arbeitgeber keine ähnlichen Werte wie sie vertritt (der sogenannte „Cultural Fit“). Viele Bewerbende beschäftigen sich bereits vor der Bewerbung mit der Unternehmenskultur (vgl. Randstad Workmonitor 2023). Insbesondere für die Generation „Z“ ist beispielsweise der Wert „Nachhaltigkeit“ ein entscheidender Faktor bei der Unternehmensauswahl.
Stärkung der Mitarbeitendenbindung durch Werteorientierung
Aber auch bei bereits angestellten Mitarbeitenden spielen Werte eine entscheidende Rolle: laut der Jobumfrage Glassdoor (2019) sind für deutlich über die Hälfte der Befragten Mitarbeitenden die Unternehmenswerte und -kultur entscheidend dafür, ob sie langfristig im Unternehmen bleiben. Zudem sind viele Kündigungen innerhalb der Probezeit auf eine „Orientierungslosigkeit“ neben einem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl zurückzuführen.
Orientierung durch Werte in agilen Arbeitskontexten
Studien zufolge versäumen Unternehmen aber insbesondere im Onboarding-Prozess vielfach das Potential die Weichen zu stellen, ihre neu gewonnenen Fachkräften bereits von Anfang an, Orientierung zu bieten. In flexiblen, agilen Arbeitskontexten ist es zunehmend mit Hürden verbunden, Orientierung über fest definierte Hierarchien und Strukturen zu erfahren – gelebte Unternehmenswerte helfen hier anstelle der ehemals „klassischen Delegationswege“, Handlungsprinzipien vorzugeben und damit Handlungssicherheit und Orientierung von Anfang an für neue Mitarbeitende zu schaffen.
Umsetzung von Werteorientierung im Onboarding-Prozess
Werteorientierung neben der fachlichen und sozialen Integration in den Onboarding-Prozess aufzunehmen ist mit verschiedenen arbeitswissenschaftlichen Methoden und Ansätzen umsetzbar – beispielsweise mit dem sogenanntem „Storytelling“, das die Unternehmenswerte im Onboarding mithilfe von Anekdoten greifbar macht oder Buddy-Systemen, die die emotionale Bindung ebenso wie die fachliche Integration stärken können.
Werteorientierung erfordert Veränderungsbereitschaft
Dies bedarf aber eines Umdenkens dahingehend, sich als Unternehmen von „alten Denkmustern“ zu befreien und sich zu öffnen, um eine Wertediskussion zuzulassen. Sogenanntes „Purpose Marketing“, also eine Betonung und Positionierung zu „gesellschaftlich gewünschten Werten“, wie z.B. Nachhaltigkeit, Menschenrechten oder Diversität, ohne diese wirklich zu leben, um beispielsweise Kundinnen und Kunden für sich zu gewinnen und sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen, sind nicht nachhaltig und zielführend in diesem Kontext. Eine „Operationalisierung“, also das Herunterbrechen auf konkrete Verhaltensweisen, die vor allem von den Vorgesetzten spürbar gelebt werden, ist essentiell, um den Effekt zu erzielen, der angestrebt ist. Hierzu ist eine Veränderungsbereitschaft und Offenheit aller notwendig, um den Transformationsprozess in Richtung Werteorientierung wirkungsvoll anzustoßen.
Fazit: Werteorientierung als nachhaltige Maßnahme
Damit ist klar: Unternehmenswerte von Anfang an im Onboarding „spürbar“ zu machen und als zentrale Stellschraube für eine nachhaltige Mitarbeitenden-Recrutierung und -bindung zu betrachten, ist aus Unternehmenssicht aus mehrerlei Gründen sinnvoll, aber erfordert auch die Bereitschaft „neue Wege“ zu gehen!
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Literaturhinweise
Brenner, D. (2020). Onboarding: Als Führungskraft neue Mitarbeiter erfolgreich einarbeiten und integrieren (2. Auflage). Springer Gabler.
Glassdoor (2019). Firmenphilosophie und Kultur sind wichtiger als das Gehalt für Arbeitnehmer:innen (Umfrage). Online verfügbar unter: https://www.glassdoor.de/blog/umfrage-firmenphilosophie-unternehmenskultur-wichtiger-als-gehalt/ [Stand 28.11.2024]
Lohaus, D. & Habermann, W. (2015). Integrationsmanagement – Onboarding neuer Mitarbeiter. Vandenhoeck & Rupre.
Quiram, B. (2023). Pressemitteilung Gallup Engagement Index 2022. Online verfügbar unter https://www.gallup.com/de/506000/pressemitteilung-gallup-engagement-index-2022.aspx [Stand: 27.6.2024]
Randstad Deutschland (Hrsg.) (2023). NEW WORK. Trendreport. Online verfügbar unter https://www.randstad.de/s3fs-media/de/public/2023-01/randstad-new-work-trendreport-3.pdf [Stand 28.11.2024]
Wellmann, H. (2022). Arbeit transformieren durch sinnstiftende Unternehmenskulturen. Working Paper Forschungsförderung. Nr. 247, Mai 20022. Online verfügbar unter https://www.boeckler.de/fpdf/HBS-008320/p_fofoe_WP_247_2022.pdf [Stand 27.6.2024]